Bei einem Unfall zwischen einem links abbiegenden Fahrzeug und dem Gegenverkehr wird vermutet, dass sich der Abbieger verkehrswidrig verhalten hat. Der grundsätzliche Anschein der Unfallverursachung durch das abbiegende Fahrzeug kann nur durch konkrete und im Streitfall zu beweisende Tatsachen widerlegt werden. So entschied das Amtsgericht Hanau (Az. 39 C 81/22).
Das Fahrzeug der Klägerin fuhr bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in einen Kreuzungsbereich ein und beabsichtigte, weiter geradeaus zu fahren. Der Beklagte befuhr die Straße in der entgegengesetzten Richtung und beabsichtigte, in der Kreuzung nach links abzubiegen. Während des Abbiegevorgangs kam es zur Kollision der Fahrzeuge. Die Klägerin verlangte den vollständigen Ersatz ihrer Fahrzeugschäden, da sie mit ihrem Wagen langsam in die Kreuzung eingefahren sei, den Unfall aber nicht habe verhindern können. Der Beklagte meint, das Fahrzeug der Klägerin sei zu schnell gefahren, sodass ihn keine Haftung treffe.
Das Gericht gab ihr Recht. Der Unfall sei allein durch das abbiegende Fahrzeug verursacht worden. Hierfür spreche bereits die Vermutung eines Verstoßes gegen die Vorfahrtsgewährungspflicht beim Abbiegen gem. § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO, denn der Unfall sei während des Abbiegevorgangs passiert. Dies könne der Beklagte nur durch den Beweis solcher Umstände widerlegen, aus denen sich ein unfallursächliches Fehlverhalten des klägerischen Fahrzeugs ergebe. Die Beweisaufnahme habe derartiges jedoch nicht bestätigt. Zwar zeige das Sachverständigengutachten, dass das klägerische Fahrzeug angesichts der örtlichen Gegebenheiten mit ca. 30 bis 40 km/h zu schnell in die Kreuzung einfuhr, hieraus sei jedoch nicht zu schließen, dass eben diese Geschwindigkeitsüberschreitung auch die Kollision mit dem abbiegenden Fahrzeug verursacht habe. Die Klägerin hafte daher jedenfalls nur zu 20 % aufgrund der allgemeinen Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs.
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